Das Thema der heutigen Episode lautet „12 Mythen zum ElektroG“. Das heißt ganz konkret: wir sprechen über verschiedene Aussagen oder auch Auffassungen bzw. Einschätzungen zum ElektroG, mit denen ich im beruflichen Alltag immer wieder konfrontiert werde.
Legen wir direkt los:
1. „Wenn das Produkt keinen Stecker und keine Batterie hat, dann ist es kein Elektro- und Elektronikgerät.“
Diese Aussage ist ganz einfach nicht korrekt. Wir schauen uns die Definition eines EEE an anderer Stelle gleich nochmal an. Fakt ist aber, ganz einfach formuliert: woher der Strom kommt, ist ziemlich egal. Auch Taschenrechner mit Solarmodulen, USB-Sticks oder Karten, mit denen ich kontaktlos bezahlen kann, sind bspw. EEE.
2. „Bei unserem Produkt handelt es sich um eine Maschine, und kein Elektrogerät. Wir müssen also die Maschinenrichtlinie erfüllen und nicht das ElektroG.“
Diese Aussage habe ich schon oft gehört, kann ich so aber überhaupt nicht unterschreiben. Hier werden schlicht zwei verschiedene Themenbereiche miteinander vermischt. Die Maschinenrichtlinie ist eher in das Thema „Produktanforderungen“ einzuordnen. Da geht es zum Beispiel um ein einheitliches Schutzniveau zur Unfallverhütung für Maschinen und unvollständige Maschinen beim Inverkehrbringen innerhalb des EWR. Das schließt aber nicht aus, dass eine Maschine gleichzeitig auch ein Elektro- und Elektronikgerät sein kann und dementsprechend auch die Anforderungen des ElektroG zu erfüllen sind.
Elektro- und Elektronikgeräte sind
„Geräte, die für den Betrieb mit Wechselspannung von höchstens 1 000 Volt oder Gleichspannung von höchstens 1 500 Volt ausgelegt sind und
a) Zu ihrem ordnungsgemäßen Betrieb von elektrischen Strömen oder elektromagnetischen Feldern abhängig sind oder
b) der Erzeugung, Übertragung und Messung von elektrischen Strömen und elektromagnetischen Feldern dienen;
Wenn also keine Ausnahme einschlägig ist, kann eine Maschine dementsprechend auch ein Elektrogerät und damit auch vom ElektroG betroffen sein. Die einzige Wahrscheinlichkeit, die dann sehr groß ist, ist dass es sich bei der Maschine potenziell um ein B2B-Gerät handelt. Und das bringt mich direkt zur nächsten Aussage:
3. „Ich verkaufe meine Produkte an ein Business. Also handelt es sich um B2B-Geräte.“
Auch diese Aussage ist so nicht unbedingt zutreffend. Für die Klassifizierung als B2B oder B2C ist nämlich nicht der Vertriebsweg ausschlagegebend, sondern der sogenannte Ort der möglichen Nutzung:
B2C:
▪ b2c-Geräte sind Elektrogeräte, die in privaten Haushalten genutzt werden können.
▪ Dual-Use-Geräte sind solche Elektrogeräte, die sowohl in privaten Haushalten als auch gewerblich genutzt werden können. Grundsätzlich werden Dual-Use-Geräte als b2c-Geräte eingeordnet.
B2B:
Entscheidend für die b2b-Eigenschaft eines Elektrogerätes ist der Ort der möglichen Nutzung. Der Vertriebsweg (zum Beispiel Abgabe nur an gewerbliche Zwischenhändler) ist in dieser Betrachtung nicht relevant. b2b-Geräte sind praktisch ausschließlich gewerblich nutzbare Elektrogeräte, die zum Beispiel
▪ wegen ihres Verwendungszwecks,
▪ wegen besonderer Voraussetzungen für ihren Einsatz (erforderliche Betriebsgenehmigungen oder besondere Umgebung),
▪ aufgrund ihrer Größe
▪ oder wegen anderer technischer Eigenschaften
eine Nutzung im privaten Bereich unmöglich oder zumindest sehr unwahrscheinlich machen.
Anmerkung:
Die b2b-Eigenschaft ist in Deutschland im Rahmen der Registrierung glaubhaft zu machen.
Eine typische Aussage zum Anwendungsbereich habe ich noch:
4. Mein Produkt ist ortsfest. Das heißt: es ist kein Elektrogerät
Auch diese Aussage stimmt in ihrer pauschalen Form nicht. Es gibt zwei Ausnahmen, die formuliert worden sind, und bei denen ein Kriterium die Ortsfestigkeit ist:
- ortsfeste industrielle Großwerkzeuge,
- ortsfeste Großanlagen;
Dazu muss man aber wissen, dass jeweils alle Kriterien für eine Ausnahme erfüllt werden müssen:
Bei den ortsfesten, industriellen Großwerkzeugen heißt das dann es muss ein Werkzeug sein, ortsfest, industriell und groß! Ortsfest heißt dann unter anderem, dass es dafür vorgesehen ist, seine gesamte Lebensdauer an einem Ort zu verbringen. Industriell bedeutet, dass es sich um ein B2B-Gerät handeln muss und groß ist gleichbedeutend mit einem Gewicht von mehr als 2 Tonnen UND einem Volumen von mindestens 15,625 m³.
Für die ortfesten Großanlagen müssen ebenfalls mehrere Kriterien eingehalten werden: Sie müssen
- groß sein,
- von Profis aufgebaut, installiert und de-installiert werden,
- erneut ortsfest sein und
- ausschließlich durch gleichartige Geräte ersetzt werden können.
Wer jetzt denkt, dass zum Beispiel Heizungen oder Wärmepumpen entsprechend vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind, der muss hier erneut auf das Größenkriterium gucken. Groß bedeutet in diesem Fall nämlich, dass mindestens eins der folgenden Kriterien erfüllt werden muss:
- Volumen > 32.07 m³
- Gewicht > 44 Tonnen
- Wenn ein Schwerlastkran für auf- oder Abbau benötigt wird,
- Wenn bauliche Sondermaßnahmen, zum Beispiel verstärktes Fundament erforderlich werden, oder
- wenn eine Anlage eine Nennleistung von mehr als 375 kW hat.
Sie sehen, diese Ausnahmeregelungen greifen dann eher selten… Sie kommen vor allem in Produktionslinien zum Tragen. Oder bspw. bei Autowaschanlagen.
Wir sind jetzt schon ein bisschen auf B2B-Geräte eingegangen. Und das bringt mich zur Kennzeichnungsverpflichtung. Hier höre ich immer wieder:
5. „Es ist in Deutschland verboten B2B-Geräte mit dem Symbol der durchgestrichenen Mülltonne auf Rädern zu kennzeichnen.“
Diese Aussage ist wirklich viral gegangen und begegnet mir immer wieder. Insbesondere bei Ansprechpartnern, die sich schon sehr lange, teilweise seit den Anfängen des ElektroG mit der Thematik befassen.
Wenn man sich das ElektroG allerdings genau anschaut, dass ist dort kein Verbot verankert. Es heißt, dass B2C-Geräte mit dem Symbol zu kennzeichnen sind. Zur entsprechenden Kennzeichnung der B2B-Geräte steht an der Stelle gar nichts. Also weder ein Verbot noch eine Pflicht zur Kennzeichnung. Diese wird im Übrigen aber aller Voraussicht nach in das ElektroG3 aufgenommen. Aber das ist jetzt nicht das Thema. Ein Gerichtsurteil zu der Thematik gibt es bis dato auch nicht. Das heißt, es wurde noch nie jemand dafür verklagt, dass er sein B2B-Gerät entsprechend gekennzeichnet hat. Und alles andere wäre auch höchst fragwürdig!
Warum?
Einerseits ist in fast allen anderen Mitgliedstaaten die Kennzeichnung der B2B-Geräte mit dem Symbol Pflicht. Das heißt, ein Verbot würde bedeuten, dass für Deutschland extra produziert werden müsste. Und das wäre weder wirtschaftlich noch umweltfreundlich.
Und auf der anderen Seite muss man sich einmal die Aussage der durchgestrichenen Mülltonne auf Rädern verdeutlichen. Sie besagt nicht, übrigens auch ein Irrglaube, „ich bin ein registriertes Produkt“. Sie besagt lediglich, dass das Produkt End of Life einer separaten Erfassung zugeführt werden muss. Nicht mehr, nicht weniger. Und diese Verpflichtung besteht nunmal auch für B2B-Geräte, so dass hier mit Kennzeichnung keine Fehlinformation geliefert wird.
Apropos Kennzeichnung:
6. „Wenn eine Batterie im Produkt eingesetzt ist, dann muss die „Batterie-Mülltonne“ auf dem Produkt gekennzeichnet sein.“
Nein 😊 Die Batterie muss gekennzeichnet sein. Und wenn das nicht Din-gerecht möglich ist, dann muss ich das Symbol alternativ in passender Größe auf der Verpackung kennzeichnen.
7. „Ein Aufkleber ist für die Kennzeichnung nicht erlaubt.“
Auch das ist nicht richtig. Der Aufkleber muss lediglich das Kriterium „dauerhaft“ erfüllen. Aber darauf, und auch auf die „Klebefähnchen“, bin ich ja in Episode 6 bereits eingegangen.
Auf den Herstellerbegriff bin ich auch schon eingegangen, deshalb auch das nur in Kurzform:
8. „Ich bin kein Hersteller, schließe produziere ich nicht.“
Kann sein, muss aber nicht sein: Der Herstellerbegriff im ElektroG ist sehr divers und abweichend vom normalen Sprachgebrauch. Es gibt verschiedene Varianten, die Sie zum Hersteller machen. Dazu zählen zum Beispiel auch das produzieren lassen und der Import.
Apropos Import:
9. „Ich habe das Produkt innerhalb der EU bezogen, also bin ich nicht Hersteller.“
Auch das vermischen einige mit den Produktanforderungen. Fakt ist, wir reden hier über einen Mitgliedstaatenbezug. Und es egal, woher Sie das Produkt beziehen: Einfuhr oder Import von Produkten, die Sie weitervertreiben, ist regelmäßig gleichbedeutend damit, dass Sie dafür als Hersteller gelten. Es sei denn, der Zulieferer entpflichtet Sie freiwillig. Und das gilt übrigens für unbekannte wie für extrem bekannte Brands. Hier höre ich nämlich auch oft, dass man doch für bestimmte, sehr prominente Marken nicht Hersteller sein kann. Doch, können Sie! Es kommt hier wirklich nur auf die Lieferkette an.
10. „Wenn ich die Anforderungen in Deutschland erfülle, dann bin ich (EU-weit) auf der sicheren Seite.“
Ja, man denkt immer, dass in Deutschland die Bürokratie besonders stark ausgeprägt ist und Anforderungen hier eher übererfüllt werden. Das ist aber an der Stelle nicht ganz richtig. Und das haben wir eben schon bei den Kennzeichnungsverpflichtungen gesehen, die in anderen Ländern etwas anders formuliert sind. Entsprechend verhält es sich auch mit den Informationspflichten.
Mitgliedstaatenbezug heißt eben auch, die Anforderungen in allen relevanten Mitgliedstaaten zu kennen und entsprechend zu agieren.
11. „Die Finanzierungsgarantie greift, wenn ich eine Abhol- und Aufstellungsanordnung nicht erfülle/bezahlen kann.“
Ja, das wäre denkbar und in gewisser Weise auch logisch. Tatsächlich sieht die Praxis aber anders aus. Sollten Sie eine Abhol- und Aufstellungsanordnung nicht erfüllen können, dann erhalten Sie zwar ein Bußgeld etc., aber der Garantiefall tritt noch nicht ein. Zunächst wird der nächste Hersteller mit dem Auftrag konfrontiert. Und dann kümmert der sich. Der Garantiefall tritt nur dann ein, wenn gar kein Hersteller mehr in einer Sammelgruppe aktiv ist, der sich um den Auftrag kümmern kann. Sprich: bei einem totalen Marktversagen.
12. „Alles nur Abfall.“
Auch das könnte man meinen, aber dazu kennen Sie meine Auffassung. Wir reden hier vielmehr über Marktzugangsvoraussetzungen. Über Anforderungen, die definiert worden sind, damit Sie Produkte überhaupt auf dem Markt anbieten dürfen und um Voraussetzungen dazu zu schaffen, dass die Produkte End of Life fachgerecht behandelt und Kreisläufe bestmöglich geschlossen werden.