Ich habe lange darüber nachgedacht ob ich eine Episode zum Thema „Passive Geräte“ veröffentlichen soll oder nicht. Aber dann ich hab ich mich doch dazu durchgerungen dem Thema „Passive Geräte“ und hierbei ganz konkret dem Hauptprodukt separat beigefügten Stromkabeln eine Podcast-Episode zu widmen. Wer in der Vergangenheit schon beruflich mit mir zu tun hatte, der hat wahrscheinlich mitbekommen, dass dieses Thema für mich DER AUFREGER im Jahr 2019 war. Und ich wollte mich hier im Podcast nicht aufregen und auch keinen kalten Kaffee wieder aufwärmen… aber ich habe den Eindruck, dass dieses Thema noch gar nicht überall angekommen bzw. an einigen Parteien komplett vorbeigegangen ist. Und deshalb werde ich heute doch darüber sprechen.
Also, was ist passiert?
Nachdem im August 2018 der Open Scope eingeführt wurde, wurde der Anwendungsbereich des ElektroG in Deutschland mit Wirkung zum 01.05.2019 noch einmal zusätzlich erweitert. Konkret ging es bei der Erweiterung des Anwendungsbereiches um sogenannte Passive Geräte, die in anderen Mitgliedstaaten ebenfalls als Elektro- und Elektronikgeräte (EEE) erachtet würden. Das heißt, die Anpassung sollte also unter anderem dem Ziel der Harmonisierung dienen. Zu den passiven Geräten zählen dabei zum Beispiel einfache Kabel, die den Strom lediglich unverändert und ohne weitere Funktion durchleiten. Hinzu kommen noch zahlreiche weitere Produkte, die mal mehr, mal weniger, mal aber auch gar nicht im Anwendungsbereich anderer Mitgliedstaaten auftauchen.
Aber wir wollen uns heute ausschließlich auf die Kabel konzentrieren.
Wie dem Infobrief 2 2019 der stiftung ear zu entnehmen ist, werden einem Hauptprodukt separat beigefügte Stromkabel als separate EEE erachtet. Separate Registrierungs, Melde-, Kennzeichnungs- und Entsorgungspflicht inklusive.
Was bedeutet das in Kurzform?
Fast 15 Jahre erfolgreiche Anwendungspraxis des ElektroG wurden im Zuge dieser Anpassung auf den Kopf gestellt!
Seit jeher und in den anderen Ländern der EU ebenfalls so geregelt, zählte das Stromkabel, dass das Hauptprodukt in den gebrauchsfähigen Zustand bzw. den ordnungsgemäßen Betrieb versetzt hat, zum Gewicht des Hauptproduktes dazu.
Und genau so steht es auch heute noch in der Regelsetzung Mengen zur Gewichtsdefinition:
„Für die Input-Mitteilung: Das Gewicht des Gerätes im gebrauchsfähigen bzw. betriebsfertigen Zustand, d.h. in der Grundausstattung des Auslieferungszustandes. Dazu gehören nicht:
- Verpackung
- Begleitpapiere
- zusätzliche Zubehörteile/Beigaben, die keine elektronischen Bauteile enthalten (z.B: Bereitschaftskoffer, Taschen)
- Verbrauchsmaterial (z.B. CD, DVD)
- Akkus/Batterien (unabhängig ob fest eingebaut oder leicht entnehmbar)
Die Entsorger sind verpflichtet, Batterien/Akkus vom Gerät zu trennen und diese von Batterierücknahmesystemen kostenlos abholen und verwerten lassen. Die Entsorger weisen diese Mengen nach (Monitoring).“
Die Kabel sind hier nicht aufgeführt.
Jetzt frage ich mich, zum Beispiel mit Blick auf die Patientenmonitore: wie funktionieren die denn ohne Stromkabel?
Natürlich kann man hier argumentieren, dass die Definition nicht angepasst werden muss, weil sie ja für das Kabel, als eigenständiges EEE, ebenfalls gültig ist. Aber trotzdem passt das in meinen Augen nicht ganz zusammen.
Und die Auswirkungen in der Praxis sind immens! Schauen wir uns zum Beispiel die typischen Stromkabel einmal an: wie viele davon sind bspw. mit einer Herstelleridentifikation gekennzeichnet? Nicht viele! Hier müssen die Hersteller also kostenintensiv angepassen.
Zudem muss ein Hersteller für „normale“ Monitore hat zusätzlich eine weitere Geräteart im System der stiftung ear registrieren. Mitsamt der Pflichten für Meldungen, Garantie und der Teilnahme an der bundesweit flächendeckenden Abholkoordination.
Das heißt aber auch, dass der Hersteller alle Reports aufwändig angepassen muss.
Warum? Weil er da das Gewicht des Hauptproduktes für Deutschland, nicht jedoch für die anderen Länder, reduzieren muss. Zudem muss er ein weiteres, zusätzliches Gewicht für die Kabel erfassen. Aus einem EEE-Gewicht werden dadurch bis zu 4 Gewichte. 4 Gewichte, wenn neben dem normalen Stromkabel z. B. noch ein USB-Kabel hinzukommt.
Schauen wir uns das Worst Case Beispiel Patientenmonitore an, dann kommt hier noch eine weitere Schwierigkeit hinzu. Der Input der B2B-Geräte ist im Rahmen der Jahres-Statistik-Mitteilung zu melden. Für B2C-Geräte ist jedoch eine Monatsmeldung Pflicht. Das heißt, wir reden hier für ein verkauftes Produkt von zwei verschiedenen Melderhythmen.
Neben dem muss derjenige, der bis dato lediglich ein Hersteller von B2B-Geräten war, auf einmal auch eine Finanzierungsgarantie hinterlegen, monatlich melden, an der Abholkoordination teilnehmen und seine Geräte, sofern er nur in Deutschland unterwegs ist, mit einer zusätzlichen Kennzeichnung und entsprechenden Informationen versehen.
Was ist der Mehrwert dieser Deutschland individuellen Anpassung?
Für mich ist er leider nicht ersichtlich, da die Inputmenge identisch bleibt, und sich lediglich zwischen den Kategorien bzw. Gerätearten etwas verschiebt. Schließlich wurde der Input auch in der Vergangenheit schon erfasst – seit 2005. In Deutschland und in den anderen Ländern.
Und von Harmonisierung kann bei dieser Auslegung und Umsetzung in Deutschland also leider keine Rede sein… eher im Gegenteil. Und das ist schade. Denn nach all den Entwicklungen im Themenbereich und der kontinuierlichen Verbesserung auch seitens der stiftung ear ist dieses Ding hier, zumindest in meinen Augen, leider etwas in die Hose gegangen. Aber wer weiß, vielleicht wird das Thema ja noch einmal auf die Agenda gesetzt. Wünschenswert, auch im Zuge einer Harmonisierung, wäre es allemal!
Haben Sie Fragen zu diesem oder weiteren Themen rund um die EPR? Dann kontaktieren Sie uns gerne!
… oder buchen Sie direkt einen Termin für ein unverbindliches Kennenlerngespräch.