Heute möchte ich mit Ihnen mal wieder über einen Gesetzesentwurf sprechen: und zwar über das ElektroG3.
Das BMU hat nämlich am 16.09.20 einen Referentenentwurf für ein Erstes Gesetz zur Änderung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes veröffentlicht. Das sogenannte ElektroG3 soll dabei nach Plan zum 01.01.2022 in Kraft treten.
Ich habe mir den Entwurf in der Zwischenzeit schon einmal angeschaut und mit der EPR compact auch bereits eine Stellungnahme eingereicht. Für diese Episode habe ich mir dabei einen Punkt aus der Stellungnahme rausgepickt, über den ich kurz sprechen möchte. Und zwar geht es um die
Verpflichtungen der neu eingeführten Rollen im ElektroG3
und dabei ganz konkret um die Verpflichtungen der Marktplätze bzw. der Betreiber von Marktplätzen.
Hintergrund: Warum ein ElektroG3?
Bevor wir mit den neuen Rollen loslegen, komme ich noch ganz kurz zum Hintergrund: Warum soll es unabhängig von der Überarbeitung der EU-Richtlinie überhaupt ein ElektroG3 geben?
Ganz einfach: Deutschland erreicht das Sammelziel nicht. Gefordert ist seit 2019, dass 65 % der durchschnittlich in den 3 Vorjahren in Verkehr gebrachten Menge auch zurückgenommen wird. Und von diesem Ziel sind wir aktuell weit entfernt. Selbst die vorher gültigen 45 % wurden zuletzt verfehlt. Hier muss also ordentlich nachgelegt werden, um das Ziel zukünftig erreichbar zu machen und auch empfindliche Strafzahlungen an die EU zu vermeiden.
Warum ist das für Sie als Hersteller so wichtig?
Wenn Deutschland drastische Strafen erfährt, dann ist in Zukunft sicher auch das Budget da, einen bis dato kaum existenten Vollzugsapparat aufzubauen.
Warum?
Damit sich Deutschland das Geld von Ihnen, also von den „Verursachern“ wiederholt.
Und das ist im Zweifel leicht gemacht, wie wir immer wieder in unseren Audits feststellen: egal wie groß oder klein ein Unternehmen ist – es ist überall was im Argen.
In vielen Fällen sind das sogar leicht prüfbare, offensichtliche Baustellen wie der unvollständige Registrierungsumfang oder einfach fehlerhafte Meldungen. Und gerade bei den Meldungen ist egal, in welche Richtung der Fehler ausschlägt:
Ich höre immer wieder: „Ich melde lieber etwas mehr. Dann bin ich auf der sicheren Seite.“ Aber das stimmt leider nicht:
- Wenn Sie zu viel melden, dann sind Sie im Zweifel mitverantwortlich dafür, dass die Bemessungsgrundlage zu hoch und das Sammelziel in Deutschland gar nicht erreichbar ist. Und das wird Ihnen der Prüfer dann auch entsprechend aufzeigen. Neben dem, dass Sie unnötig hohe Kosten für die Finanzierungsgarantie oder die Abholkoordination haben – aber das ist ein anderes Thema.
- Wenn Sie zu wenig melden, dann wird man Ihnen da ebenfalls einen Strick draus drehen. Dann sind Sie schließlich ein „Trittbrettfahrer“ bzw. jemand, der sich selbst durch zu geringe Mengen finanziell besserstellt und unlauter am Markt agiert.
Sprich: wie man es macht, macht man es falsch. Also machen Sie es lieber richtig und bauen Sie unter anderem einen konformen Meldeapparat auf, bevor der Vollzugsapparat steht.
Apropos „Trittbrettfahrer“: Das bringt mich noch zu einem weiteren Punkt bzw. Ziel des ElektroG3: Ziel ist es ebenfalls, das Problem der Trittbrettfahrer, insbesondere sicherlich im Online-Handel, lösen.
Neue Rollen im ElektroG3
Und um hier einen großen Hebel zu betätigen, ist die Einführung neuer Rollen angedacht, die ebenfalls in die Verantwortung genommen werden sollen:
Elektronische Marktplätze bzw. Betreiber von elektronischen Marktplätzen sollen dafür Sorge tragen, dass auf den Marktplätzen nur noch konform registrierte Produkte angeboten werden. Auch die sog. Fulfillment-Dienstleister dürfen ihre Leistungen nur für konform agierende Hersteller erbringen. Ist das nicht der Fall, ist für diese Rollen ein Bußgeld in Höhe von bis zu 100.000 € vorgesehen.
Was heißt das?
In meinen Augen handelt es sich hier um eine indirekte Erweiterung der Herstellerfiktion. Die Rollen gelten zwar im Worst Case nicht als Hersteller, aber sie müssen trotzdem entsprechend empfindliche Bußgelder erwarten, wenn einer ihrer Nutzer nicht konform agiert. Und das ist ziemlich starker Tobak!
Ich verstehe den Hintergrund. Man nutzt hier die Marktmacht der Marktplätze etc., um die Trittbrettfahrer auf diesem Weg zur Compliance zu bewegen. Wer nicht konform agiert, also in erster Linie, nicht registriert ist, kann den Marktplatz schließlich nicht nutzen. Also wird sich der Hersteller schon registrieren, um seine Produkte weiter anbieten zu können. Das ist ein nachvollziehbarer Gedanke und bestimmt auch eine wirksame Maßnahme.
Das Ganze heißt aber auch, dass die neuen Rollen zukünftig eine riesige Verantwortung tragen müssten. Und dass sie Knowhow und Ressourcen aufbauen müssen, die sie bis dato gar nicht benötigt haben. Bis dato haben die Marktplätze, die Betreiber von Marktplätzen und auch die Fulfillment-Dienstleister einen Service oder eine Plattform zur Nutzung zur Verfügung gestellt.
Eine konkrete Kenntnis der Produkte der Nutzer bzw. Kunden oder das Wissen um die Anforderungen der Herstellerverpflichtungen des ElektroG waren dafür in aller Regel nicht erforderlich.
Und jetzt sollen diese Rollen die ElektroG-Compliance zur Voraussetzung machen und vor allem auch prüfen können, damit sie selbst nicht abgemahnt werden können?
Wie soll das in der Praxis aussehen? Und wie soll die Sorgfaltspflicht der Rollen definiert werden?
Theoretisch sind hier 2 Ausprägungen denkbar:
Low Level
In diesem Rahmen steht in den AGBs, dass die ElektroG-Compliance Voraussetzung ist oder der Kunde muss irgendwo aktiv einen Haken setzen bzw. bestätigen, dass er ElektroG compliant ist. Diese Variante ist schlank und praktikabel, aber bietet natürlich sehr viel Raum bewusste Fehlinformationen, um die Produkte anbieten zu können. Und wenn ich den Entwurf richtig lese, interpretiere und auch die Bußgeldvorschriften betrachte, dann ist diese Variante aber eher nicht gewünscht.
High Level
Die Alternative lautet also High Level! Und dann reden wir im Zweifel über ein ganz anderes Knowhow, ganz anderen Informationsbedarf und ganz einfach exponentiell höheren Umsetzungsaufwand.
Natürlich liefert das Herstellerverzeichnis der stiftung ear grundsätzlich recht umfangreiche Informationen. Aber sind die neuen Rollen dann auch dafür verantwortlich, die korrekte Einordnung der Produkte in die Gerätearten zu überprüfen?
- Sind sie verantwortlich dafür, den vollständigen Registrierungsumfang prüfen?
- Müssen sie im Zweifel jedes einzelne Produkt kennen und überprüfen, potenziell sogar auch auspacken, um zu sehen ob auch die Marken beigefügter Kabel in der korrekten Geräteart registriert sind?
- Müssen sie ihre Kunden zum Thema ElektroG beraten, da sie in gewisser Weise ja auch für deren Portfolio verantwortlich sind und die Anforderungen in Deutschland dabei von den Anforderungen in anderen Ländern abweichen?
- Haben sie die Verpflichtung, die Zulieferer ihrer in Deutschland niedergelassenen Kunden prüfen, um zu validieren, dass die Verpflichtungen innerhalb der Supply Chain tatsächlich erfüllt wurden?
Sie sehen, der Aufwand ist potenziell immens und das ganze Thema für die neuen Rollen eine hohe Bürde! Und deshalb frage ich mich: Macht das Ganze in der Form wirklich Sinn?
- Ist das Ganze ein potenziell großer Hebel: Ja, ist es!
- ABER: Ist die Umsetzung praktikabel? Kaum!
- Ist es eine Lösung des Problems? Unsicher! Meine Befürchtung ist eher, dass aufgrund der medialen Wirksamkeit die Falschen abgemahnt und in den Fokus gerückt werden, nämlich die Marktplätze und nicht die richtigen Trittbrettfahrer; sprich, die Hersteller, die die Verpflichtungen nicht erfüllen.
Ebenfalls ist zu befürchten, dass der Vollzug insbesondere die deutschen Marktplätze etc. trifft, nicht aber deren Wettbewerb, die den deutschen Markt aus anderen Ländern versorgen. Warum? Naja, das hat die Vergangenheit gezeigt: Weil es schlicht einfacher ist, den deutschen Marktteilnehmer zur Rechenschaft zu ziehen, als denjenigen, der nicht in Deutschland niedergelassen ist. Und dann bewirkt das Ganze Thema im Zweifel sogar in erster Linie eine Schwächung der nationalen Marktteilnehmer. Das kann auch nicht im Sinne des Erfinders sein.
Auf den Punkt gebracht:
Die neuen Rollen und deren Verantwortung könnten sicher ein kraftvolles Instrument zur Bekämpfung der Trittbrettfahrerproblematik sein, aber für ein praktikables, wirtschaftlich zumutbares Instrument, sind hier in meinen Augen noch einige Konkretisierungen erforderlich.
Haben Sie Fragen zu diesem oder weiteren Themen rund um die EPR? Dann kontaktieren Sie uns gerne!
… oder buchen Sie direkt einen Termin für ein unverbindliches Kennenlerngespräch.